Bis zum Beginn des 2.Weltkrieges gab es auch in den Sommermonaten nur täglich eine Fährverbindung von Harle nach Wangerooge und zurück. Fast zeitgleich fuhr jeweils auch eine Fähre von Harle nach Spiekeroog. Den Anschluß zu den Schiffen stellten in den Monaten Juni bis September die damals so genannten "Bäderzüge" her, die mindestens ab/bis Oldenburg, größtenteils sogar ab/bis Bremen mit Halt in Delmenhorst, Oldenburg, Varel, Sande, Jever und Carolinensiel verkehrten. In den übrigen Monaten wurde auf die regulären Züge Jever-Carolinensiel verwiesen, die, wenn Schiffsanschluß bestand, ab/bis Harle fuhren.

Während des Krieges und in den Jahren danach verkehrten keine Bäder- oder Tidezüge. Um 1950 wurden im Sommer zunächst zusätzliche Züge eingeführt, die in Zeitlagen verkehrten, zu denen es keine planmäßigen Personenzüge gab, und die nur an Tagen mit entsprechendem Schiffsanschluß fuhren. Diese Züge hielten grundsätzlich in Hohenkirchen und Carolinensiel, teilweise aber auch an allen Stationen und waren in den normalen Streckenfahrplänen enthalten. Ab 1952 bis zur Einstellung wurden die Tidezüge dann nur noch in den Schiffsfahrplan-Tabellen veröffentlicht und verkehrten auch in der Regel ab/bis Sande und darüber hinaus. Der Tideverkehr in dieser Form erreichte um 1960 seinen Höhepunkt: Während des Sommerfahrplans 1959 wurden insgesamt 233 Tidezüge eingesetzt, die ab/bis Oldenburg, Wilhelmshaven, Sande oder Jever verkehrten. An manchen Tagen fuhren bis zu 4 Zugpaare zusätzlich zu den lokalen Personenzügen. Allerdings gab es im Winter, wie schon vor dem Krieg, keine Tidezüge. Zu dieser Zeit wurden nun Tidebusse ab Sande eingesetzt.

1963 und 1964 war die Anzahl der Tidezüge etwas geringer, die Tage mit dem stärksten Verkehr wiesen nun 3 Zugpaare auf. 1967 verkehrten alle Tidezüge mindestens ab/bis Sande, teilweise ab/bis Wilhelmshaven oder Oldenburg. Nur 1973 gab es wieder ein Tidezugpaar gab, das ab/bis Jever verkehrte (mit Kurswagenanschluß von/nach Bielefeld). Außerdem fuhren 1977 und 1978 keine Züge ab/bis Oldenburg.

Einen Überblick über die Entwicklung des Tideverkehrs ab 1970 gibt die nachfolgende Tabelle (Vorsaison = Zeit bis Beginn des Sommerfahrplans; Datum in Klammern = mindestens ab diesem Tag):

Jahr Saison
Anfang
Saison
Ende
Täglicher
Betrieb
Vorsaison
Tage
Vorsaison
Fahrten
Hauptsaison
Tage
Hauptsaison
Fahrten
Gesamt
Tage
Gesamt
Fahrten
1970 (31.5.) (26.9.) (31.5.)-20.9.     115 143    
                   
1972   17.9. (28.5.)-17.9.     113 137    
1973   8.9. (3.6.)-8.9.     98 117    
1974 26.5. 15.9. 26.5.-15.9. --- --- 113 138 113 138
1975   21.9. (1.6.)-21.9.     113 140    
1976 10.4. 19.9. 16.5.-19.9. 20 25 113 135 133 160
1977 7.4. 17.9. 19.5.-17.9. 8 8 119 131 127 139
1978 23.3. 16.9 11.5.-16.9. 19 21 112 129 131 150
1979 27.5. 29.9. 27.5.-29.9. --- --- 126 148 126 148
1980 22.3. 27.9. 14.5.-27.9. 22 26 119 177 141 177
1981 (31.5.) 25.9. ---     53 67    
1982 (23.5.) 14.10. ---     68 85    
1983 31.3. 22.9. --- 20 23 83 105 103 128
1984 19.6. 6.10. --- 17 17 56 61 73 78
1985 4.4. 14.9. --- 14 15 44 65 58 80
1986 28.3. 10.9. --- 10 11 42 57 52 68
1987 5.6. 26.9. --- --- --- 47 74 47 74

Wie man aus der Tabelle erkennt, gab es 1980 von der Anzahl der Fahrten her noch einmal einen Höhepunkt im Tideverkehr. In diesem Jahr gab es sogar an einem Tag wieder einen durchgehenden Tidezug von Bremen nach Harle, und an einigen weiteren Tagen gab es Kurswagen ab Bremen. Von 1981 an ging die Anzahl der Fahrten tendenziell zurück, was aber wohl auch ein Versuch zur Rationalisierung des Tideverkehrs war. Man beschränkte sich mit dem Zugverkehr auf die Tage, an denen ein höheres Aufkommen erwartet wurde. Um die Wahl der Anreisetage durch die Urlauber entsprechend zu lenken, wurde der 1980 eingeführte Kurswagenverkehr erweitert. Die Kurswagen kamen jetzt auch von Hildesheim oder sogar Köln. Auf diese Weise wurden in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre noch einmal beachtliche Besetzungszahlen von fast immer über 100 Reisenden in den Tidezügen erzielt. Der Trend war aber auch hier leicht fallend.

Ab 1985 gab es keine durchgehenden Tidezüge ab Oldenburg mehr, aber weiterhin die genannten Kurswagen. Im letzten Betriebsjahr 1987 gab es dann auch keine Kurswagen mehr, da nun Schienenbusse statt lokbespannter Züge eingesetzt wurden. Der Wegfall der Kurswagen war sicherlich einer der Gründe, die die Fahrgastzahlen gegenüber 1986 noch einmal schrumpfen ließen und somit zur endgültigen Einstellung des Tideverkehrs führten.


Text: Torsten Oekermann
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Stand  11.09.1999